Ein Donnerstag wie (k)ein anderer

Hui - über ein Jahr her, dass ich mich hier das letzte Mal zu Wort gemeldet habe. Viel zu tun, keine Schreibmotivation, gute Ausreden ;o) Aus pränataler Langeweile teile ich mal wieder ein paar Gedanken zum heutigen Tag ...

Denn es ist ja nicht ein ganz gewöhnlicher Donnerstag. Es ist der "Schmutzige Donnerstag", in Karlsruhe für Gewitzte auch der "SchmuDo", und für die Traditionalisten das "Weiberfasching". Wie heute die bunten Wimpelfahnen im beschaulichen Bulach über mir geflattert haben, musste ich unweigerlich daran denken, wieviel Zauber der Tag für mich verloren hat. Und dass ich nicht genau weiß, ob ich das jetzt gut finde oder traurig ... Aber ersteinmal zur Vergangenheit.

Hemdglunkerumzug (CC, Usarobert)
Es war DAS Datum, auf das klein Sylvia - halt, nein, mein Teenager-Ich wäre über diesen Kosenamen todbeleidigt, also nennen wir sie lieber Girly-Sylvie. Also, es war DAS Datum, auf das Girly-Sylvie das ganze Jahr hinfieberte. Wochenlang vorher wurde akribisch geplant, wie man wohl in einem weiten, weißen und wenig figurschmeichelnden Nachthemd möglichst noch gut aussehen könnte. Dazu muss man wissen, in meiner Heimat ist am "Schmotzige" jedes andere Kostüm als der "Hemdglunker" quasi tabu - sehr zu meinem Leidwesen. Weiß war noch nie meine Farbe ...

Neben der "Fasent" in der Schule, für die jedes Jahr mit Begeisterung neue "hippe" Tanz-Choreographien (zum Beispiel zur Musik von den Backstreet Boys *hust*) einstudiert wurden, war besonders ein Event für den Tag ausschlaggebend: Die "Hemdglunkerdisco". Noch immer hat das Wort für mich einen fast magischen Klang: Hier waren sie, die Coolen der Dorfjugend. Die Semi-Erwachsenen, die Roller-, Mofa und Autofahrenden, die Alkoholtrinkenden und Älteren. Insbesondere die Älteren, denn Einlass war offiziell erst ab 16 Jahren und dann auch nur bis Mitternacht. Für Girly-Sylvie, die auch schon mit 12 flügge sein wollte, bedeute das also: Von Jahr zu Jahr musste erneut gehofft, geplant und geschummelt werden. Nicht immer war das Schminken und Schülerausweisfälschen von Erfolg gekrönt, was vielleicht besser für meine junge Leber war. Denn war man erstmal drin, flossen rege die Alkopops, damals noch unbesteuert.

Interessanterweise erinnere ich mich auch heute noch daran, dass diese ersten Disconächte hauptsächlich von meinen Bemühungen geprägt waren, um jeden Preis dazuzugehören. "Sieht das gut aus wie ich tanze? Sitzt das Make-up? Trinke ich genug? Findet mich ein Junge gut?" waren Fragen, die ich mir unentwegt stellte. Typisches Teenager-Gebären? Oder das Los des ewigen Außenseiters?

Wohl habe ich mich offensichtlich auf solchen Veranstaltungen noch nie gefühlt. Geändert hat sich nur, dass ich heute keine Notwendigkeit mehr darin sehe, das Anderen vorzumachen. Stattdessen verkleide ich mich, wenn ich Lust dazu habe und mit Leuten, die ähnlich ticken wie ich. Außenseiter unter sich sozusagen. Und trotzdem schiele ich heute auf den Kalender und bedauere, dass dieser Tag heute für mich doch nichts weiter ist, als ein ganz gewöhnlicher Donnerstag.

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